Qualzuchten: Tierleid für ein fragwürdiges Schönheitsempfinden |
Tiere zu züchten, bei deren Nachkommen erblich bedingte Defekte, Schäden oder Missbildungen auftreten, ist nach § 11 b des Deutschen Tierschutzgesetz schon seit 1986 verboten. Doch der Vollzug dieses Gesetzes wird von den zuständigen Bundesländern eher mangelhaft betrieben. Ein Grund dafür liegt in der sehr allgemeinen Formulierung des Gesetzes, welches nicht auf Anhieb klare Grenzen zwischen „normaler“ Zucht und „Qualzucht“ erkennen lässt. Seit Ende 2001 geistern via eMail ununterbrochen Unterschriftenlisten gegen die Züchtung sogenannter Bonsai-Katzen im Internet. Dass die Internet-Seite auf denen die üblen Methoden zur Züchtung solcher Zwerg-Kätzchen vorgestellt wurden, nur ein geschmackloser Scherz von amerikanischen Studenten war,, kostete Tierschützer eine Menge Aufklärungsarbeit und Zeit. Aber der Grund, warum soviele Tierfreunde mit Empörung auf dieses Thema ansprachen, liegt an der Tatsache, dass die selbsternannte „Satire“ der beiden Studenten nicht allzu fern von der Realität ist. Bestes Beispiel ist die aus den USA stammende „Munchkin“-Katzenrasse. Durch einen gentischen Defekt (Züchter nennen dies beschönigend eine „spontane Mutation“) haben die Katzen dieser Rasse extrem kurze Beine. Vergleichbar mit denen eines Dackels. Nun soll diese Rasse den Sprung über den großen Teich machen und in Europa gezüchtet werden. Barry Newcombe (54) aus Großbritannien hat die erste Munchkin-Katze aus den USA importiert und vermutet einen großen Absatzmarkt für dies Art, da die Katze aufgrund der missgebildeten Beine weder auf Möbel springen, an Vorhängen hochklettern oder auf die Jagd gehen kann. Der britische Katzenverein hingegen ist empört: „Es ist gegen die Natur einer Katze, nicht springen, klettern und jagen zu können“, äußert sich hierzu Therese Clark. In Deutschland könnte die Einführung einer solchen Katzen-Rasse allerdings am § 11 b des Tierschutzgesetzes scheitern. Vorausgesetzt, es fühlt sich überhaupt jemand zuständig, diesen Paragraphen auch zu vollziehen. Darin tun sich die bislang verantwortlichen Bundesländer nämlich schwer. In einem 1999 erstellten Gutachten des zuständigen Bundesministeriums wurden lediglich Empfehlungen abgegeben, welche durch Zucht hervorgerufene Defekte als Qualzucht gelten. Eine rechtliche Verbindlichkeit bestand aber bislang nicht. Durch die zögerliche Haltung der Bundesländer werden weiterhin Qualzuchten ermöglicht. Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels: Nach jahrelangem Stillstand will Hessen als erstes Bundesland eine Initiative gegen die Qualzucht starten. Per Erlass sollen ggf. Zuchtverbote ausgesprochen werden und Verstöße gegen den § 11 b entsprechend geahndet werden. Ob dieses Vorhaben realisierbar ist oder wieder an den scheinbar unendlichen Auslegungsmöglichkeiten des „Qualzucht-Paragraphen“ scheitert, wird die Zukunft weisen. Aber dass wenigstens ein Bundesland hier einen Vorstoß wagt, gibt Grund zur Hoffnung. Dennoch wird es noch ein langer Weg sein, bis das Leiden von Haustieren für fragwürdige Rasse-Standards ein Ende hat. Ergänzende Informationen und ein Diskussionsforum zu diesem Thema finden Sie auf der Homepage von TASSO unter www.tiernotruf.org/qualzucht |
Quelle: „Der Tiernotruf – Ausgabe Sommer 2002“ Verfasser: „Tasso e.V.“ Copyright 2002 |
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